Diese Woche in der Zeit
Todesstrafe: Hinrichtung live.
“Es wird ein Schauerspiel mit vielen Bühnen. Am 16. Mai werden 30 Augenzeugen im Bundesgefängnis von Terre Haute in Oklahoma die Hinrichtung des Häftlings 12076-064 beobachten. 259 Menschen verfolgen sein Sterben in einem Saal auf einer Großleinwand. Der Rest des Landes wartet vor dem Fernseher auf ihre Exklusivberichte. Und der Rest der Welt sieht Amerika dabei zu, wie es der Exekution von Timothy McVeigh zusieht.”
Internet: Das Netz für freie Forschung.
“Die NIH, kündigte Varmus an, werden den Aufbau eines elektronischen Zentralarchivs für die Biomedizin unterstützen. “E-Biomed”, ein Projekt von gewaltigen Ausmaßen. Die aktuelle Fachliteratur sollte es umfassen, Hunderttausende von Veröffentlichungen miteinander verknüpfen, auf einem einzigen Server und mit einer einzigen Suchmaschine in null Komma nichts durchforsten. Kosten für den Nutzer: keine. Für jeden Forscher ein Traum. Und für Zeitschriftenverleger ein Albtraum.”
Leben: Lesen und Lesen lassen.
“Sie hetzen durch die Zeitungsspalten, mit der Schere im Kopf und in der Hand: Ohne professionelle Ausschnittdienste käme unsere Mediendemokratie sofort zum Erliegen. Doch jetzt werden die Akkordleser von Scannern bedroht.”
Fernsehen: Dotwin für Deutschland.
“Es geht um fünfmarkstückgroße Pappscheibchen, mit denen der Sender ProSieben seit der vergangenen Woche die Zuschauer an sich binden will. Die Regeln: Man muss bei bestimmten Sendungen (zwei davon stehen täglich zur Auswahl) das Scheibchen auf den Bildschirm pappen, an eine bestimmte Stelle und mit einer bestimmten Ausrichtung. Und dann darf man den Fernseher nicht ausschalten oder das Programm wechseln, bis die Sendung zu Ende ist. Sagt der Sender. Während dieser Zeit wird nämlich der Dotwin “aktiviert”. Anschließend muss der Zuschauer das Scheibchen wieder versiegeln und es einsenden, um an einem Gewinnspiel teilzunehmen.”
Hallo? Geht es denen noch gut? Wer macht denn sowas mit? – Offenbar genug Leute, und manche finden das scheinbar auch noch gut. Am erschreckendsten finde ich dies: “Thomas Hohenacker [Erfinder des Dotwin]: ‘Wir bekommen Rückmeldungen von Familien, die begeistert erzählen, dass sie sich endlich einmal wieder auf eine ganze Sendung eingelassen haben.'”
Ich glaube, es macht sich doch bemerkbar, daß wir keinen Fernseher haben. Ich bin überhaupt nicht auf dem Laufenden, wie niedrig das Niveau des Fernsehens schon ist. Ich wußte nicht, daß Big Brother noch immer läuft, und ich wußte nicht, daß die Fernsehsender jetzt auch Big Brother spielen und kontrollieren, was man sieht. Und erst recht hätte ich nicht damit gerechnet, daß die Zuschauer das auch noch begeistert mitmachen.
Ich kann mich Craig nur anschließen und jedem wärmstens empfehlen, Wir amüsieren uns zu Tode (Amusing ourselves to death) von Neil Postman zu lesen.