Deutsche Welle: Wie Bürgerrechtler das DDR-Regime in die Knie zwangen. “Am 9. Oktober 1989 demonstrierten in Leipzig rund 70.000 Menschen für mehr Freiheit und Demokratie. Wider aller Befürchtungen schritten die DDR-Sicherheitskräfte nicht ein. Rückblick auf einen Schicksalstag.”
“”An dem Tag war die Luft zum Schneiden gespannt. Die Leute wussten: Heute ist der Tag der Entscheidung”, erinnert sich Kathrin Mahler Walther. Sie war damals erst 18 und in der Bürgerrechtsbewegung aktiv. Ihre Heimatstadt Leipzig – die zweitgrößte Stadt der DDR nach Ost-Berlin – war in den 1980er Jahren zu einer der Hochburgen des Widerstandes geworden. Wichtigster Treffpunkt: die Nikolaikirche, wo jeden Montag um 17 Uhr eine Friedensandacht stattfindet. “Als diesem Abend nicht geschossen wurde, war für uns klar: Ab jetzt findet ein Öffnungsprozess statt, ab jetzt findet ein Diskussionsprozess miteinander statt”, so Mahler Walther.
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Das DDR-Fernsehen berichtete natürlich nicht von dem Ereignis. Und doch sollte von der Schlagkraft der Leipziger Demo am 9. Oktober schon bald die ganze Welt erfahren. Zu verdanken war das zwei Kameramännern, die sich in der Leipziger Innenstadt auf einem Kirchturm versteckt hatten und heimlich Aufnahmen von der Demo machten. Einer von ihnen war Siegbert Schefke. Zu sehen, wie viele Menschen da durch die Straßen strömten, sagt er heute, war ein absoluter “Gänsehaut-Moment”. Denn ihm wurde klar: “Wenn die Bilder morgen im West-Fernsehen gezeigt werden, das wird nicht nur die DDR und Deutschland verändern, das wird Europa und die Welt verändern.”Über Nacht wurde das Video-Material zu West-Journalisten geschmuggelt. So erfuhr die DDR-Öffentlichkeit, die zu großen Teilen auch West-Fernsehen empfangen konnte, dass offener Protest gegen das zunehmend geschwächte Regime möglich und mit Gewalt nicht zu rechnen war.
Danach überschlugen sich die Ereignisse. Immer mehr Menschen trauten sich auf die Straße, nicht nur in Leipzig. Erich Honecker wurde gerade mal acht Tage später vom Politbüro abgesetzt – doch auch das war den Menschen nicht genug. In Berlin forderten am 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz mindestens eine halbe Millionen Demonstranten Meinungs- und Pressefreiheit.”