warum gehört die Mathematik zur Bildung? (Teil 6)

Mittelalter

Bis zum Hochmittelalter gab es in Europa kaum Neuerungen in der Mathematik. Erst um etwa 1100 begann der erneute Aufstieg der Wissenschaften, die sich aus zwei Quellen speiste: Zum einen gab es erstmals Übersetzungen griechischer sowie arabischer Originalarbeiten; zum anderen entwickelte sich die Scholastik. Die Scholastiker bauten Philosophie und Theologie mathematisch-logisch auf und übernahmen auch Ideen von Aristoteles. Verschiedene Autoren verfassten Werke über die Theologie, die sich im axiomatischen Aufbau an den “Elementen” von Euklid orientierten.


Renaissance

Mit Beginn der Renaissance um ca. 1400 verloren das Kaiser- und das Papsttum sowie der Gedanke des Reiches Gottes auf Erden an Einfluss; die Menschen strebten nach Freiheit im Denken, in der Meinung und im Glauben. Als Weltanschauungsquelle wurde Überliefertes aus der Antike wieder aufgegriffen, zuerst in der Kunst, dann auch in der Philosophie, den Naturwissenschaften und der Mathematik. In der Mathematik gewann dadurch der praktische Nutzen im Gegensatz zur reinen Bildung wieder mehr Bedeutung.

Im 15. Jahrhundert konzentrierte sich die Weiterentwicklung der Mathematik auf praktische Anwendungen. Algorithmen für die Grundrechenarten wurden gefunden und konnten durch die Buchdruckerkunst weit verbreitet werden. In dieser Zeit arbeiteten z.B. der Rechenmeister Adam Ries (1492-1559) und später Nikolaus Kopernikus (1473-1543), der durch Berechnungen feststellte, dass das Ptolemäische Weltbild falsch sei und in Wirklichkeit die Planeten um die Sonne kreisten.


Barock

Etwa ab Mitte des 16. Jahrhunderts erlebte die Mathematik einen Aufschwung, der zum großen Teil durch die Weiterentwicklung der Naturwissenschaften, hauptsächlich der Physik, hervorgerufen wurde. Einige neue Zweige der Mathematik entstanden, so z.B. die Wahrscheinlichkeitsrechnung und die analytische Geometrie.

Das praktische Rechnen wurde durch verschiedene Neuerungen erleichtert: Das Dezimalsystems setzte sich gegen das Sexagesimalsystems durch, und die Dezimalzahlen sowie die Rechenzeichen =, <, >, x und : wurden eingeführt. Gunter und Wingate, zwei Engländer, erfanden den Rechenschieber, und 1623 baute Wilhelm Schickhardt auf Anregung von Kepler die erste Rechenmaschine. Durch all diese technischen Erleichterungen konnten die verschiedenen Gebiete der Mathematik weiter entwickelt werden.

René Descartes (1596-1650) war Philosoph, Mathematiker und Naturwissenschaftler und gilt als der Begründer des Rationalismus[7]. Er baute sein philosophisches System streng logisch auf und sah in der Mathematik eine Universalsprache (“mathesis universalis”). Sein bekanntester Ausspruch ist sicher “Cogito, ergo sum”, der zum Ausdruck bringen soll, dass “wahr nur sein kann, was klar und deutlich im Selbstbewusstsein aufzufinden ist”. [Duden, Rationalismus]


Zeit der Aufklärung

Ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wandte man sich in Europa immer mehr dem Rationalismus zu. Der Verstand des Menschen galt als oberste Instanz, dem sich sogar der Glaube unterzuordnen hatte, und dadurch verringerte sich die Macht der Kirche noch weiter.

In der Mathematik war die Infinitesimalrechnung die wichtigste Neuentwicklung. Der Philosoph und Mathematiker Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) und der Mathematiker, Physiker und Astronom Isaac Newton (1643-1727) erfanden sie unabhängig voneinander[8].


[7] Der Rationalismus sieht den menschlichen Verstand als selbständig und von allem Äußeren unabhängig an und betont die Vernunft.

[8] Zu Lebzeiten stritten sie darum, wer die Infinitesimalrechnung zuerst erfunden habe, aber Quellenstudien ergaben später, dass Newton sie zuerst erfand, aber nicht veröffentlichte, während Leibniz sie unabhängig davon nach Newton entdeckte, aber vor ihm veröffentlichte.


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