Gegenwart
Ende des 18. Jahrhunderts erreichte die Mathematik in Bezeichnungsweisen und Symbolik in etwa die Form, die sie heute auch noch hat. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts befindet sie sich in einem ständigen Aufschwung. Er wurde zum großen Teil dadurch unterstützt, dass die Aufklärung eine rationale Erfassung der Natur verlangte und dazu mathematische Hilfsmittel benötigte.
Die so genannte reine Mathematik nach griechischem Vorbild lebte im 19. Jahrhundert wieder auf, während die angewandte Mathematik erst im 20. Jahrhundert wieder mehr Bedeutung erlangte, hauptsächlich durch die Erfindung des Computers.
Aufgrund der umfassenden Neuentdeckungen in den verschiedenen Teilgebieten der Mathematik legten sich die Mathematiker zum großen Teil auf eines dieser Teilgebiete fest, waren also Algebraiker, Geometer, Analytiker etc..
Etwa ab Mitte des 19. Jahrhunderts begannen die Mathematiker auch damit, die Schlussweisen der Mathematik systematisch zu untersuchen und mathematisch zu formulieren. Englische Algebraiker entwarfen die Aussagenlogik, Gottlob Frege (1848-1925), Mathematiker und Philosoph, entwickelte das Kalkül der Prädikatenlogik, allerdings mit einer komplizierten Symbolik. Diese wurde von Bertrand Russel (1872-1970) und Alfred Whitehead (1861-1947), beide waren ebenfalls Philosophen und Mathematiker, durch eine bessere ersetzt.
David Hilbert (1862-1943) entwickelte die Beweistheorie, auch Metamathematik genannt. Sein Ziel war es, die Widerspruchsfreiheit der mathematischen Theorie zu beweisen. Im Gegensatz zur früheren Auffassung, Axiome müssten wahr, also in der Realität überprüfbar sein, forderte Hilbert lediglich die Widerspruchsfreiheit eines gegebenen Axiomensystems.
Dieses Konzept wurde aber 1931 in Frage gestellt, als der Logiker und Mathematiker Kurt Gödel (1906-1978) bewies, dass es immer mathematische Wahrheiten gibt, die nicht mit der Logik bewiesen werden können.[9] (Bezeichnenderweise bewies er diese Aussage mit Hilfe der Logik.)
Die Entwicklung der Mathematik in der Zukunft wird von Kaiser so beschrieben:
“So wie die menschliche Kultur und Zivilisation hat sich auch die Mathematik zu bewundernswerter Höhe entwickelt, und so wie die weitere Entwicklung der Menschheit ins Dunkel gehüllt ist, ist auch die weitere Entwicklung der Mathematik nicht abzusehen. Man kann aber wohl mit Sicherheit sagen, dass die Mathematik mit ihrem dreifachen Gesicht als Wissenschaft, Kunst und Macht Menschen in ihren Bann ziehen wird, solange die Menschheit besteht.” [Kaiser, Seite 78]
[9] Als Beispiel soll hier die Aussage “Die Wahrheit dieser Hypothese kann nicht mit Hilfe der Logik bewiesen werden” dienen. Könnte man die Wahrheit der Aussage logisch beweisen, wäre sie wahr. Damit ist die Annahme widerlegt, dass die Wahrheit der Hypothese logisch nicht bewiesen werden kann, d.h. die Hypothese ist falsch. Nimmt man andererseits an, die Falschheit der Hypothese könne logisch bewiesen werden, d.h. die Annahme, die Hypothese kann logisch nicht als wahr bewiesen werden, wird bestätigt und damit ist die Hypothese wahr. Zusammengefasst: Durch den Wahrheitsbeweis der Hypothese wurde ihre Falschheit bewiesen und umgekehrt, was einen Widerspruch ergibt. [Guillen]