Vier Tage in Amsterdam

Dienstag, 16. Mai 2000

André und ich fuhren um halb zehn mit der Bahn in Bonn los und erreichten Amsterdam um zwei. Mit der sneltram 51 fuhren wir von der centraal station zu unserem Hotel und checkten ein. Dann ging André zum RAI-Konferenzzentrum, wo die WWW9 stattfand, während ich wieder in die Innenstadt fuhr, um einen ersten Eindruck von der Stadt zu bekommen.

Bahnhof:
Centraal Station

Von der centraal station aus ging ich den Damrak hinunter, an der Beurs van Berlage, der ersten Börse der Welt, vorbei, bis zum Dam. Von dort aus ging ich auf der Kalverstraat weiter, der Shoppingmeile der Niederlande. Zumindest nannte mein Reiseführer die Straße so. Überall liefen jede Menge Touristen herum, und ich war froh, daß ich sie hinter mir ließ, als ich zum Munttoren weiterging.

Das “Münztor” ist ein Teil der mittelalterlichen Stadtmauer. Dahinter, an einer Gracht, befindet sich ein Blumenmarkt, wo es von Tulpen (echten und solchen aus Holz) nur so wimmelte. Weiter ging’s zum Spui und dem Begijnhof.
Letzterer ist ein kleiner Innennhof, der von 46 typischen Amsterdamer Häusern gebildet wird. Leider war er schon für Publikumsverkehr geschlossen, so daß ich nicht mehr hineinkam. (Natürlich kann ich gut verstehen, daß die Anwohner nicht den ganzen Tag Touristenscharen vor ihren Haustüren haben wollen und den Zugang nur von 10 bis 17 Uhr gestatten. Gruppen und Führungen ist der Zutritt ganz untersagt.)

Danach kaufte ich mir etwas zum Abendessen und fuhr dann ins Hotel zurück. Dort verbrachte ich den Abend damit, mit Hilfe des Reiseführers einen Plan für die nächsten drei Tage zu machen.

Mittwoch, 17. Mai 2000

Wir standen gegen sieben auf und hatten ein wundervolles Frühstück im Hotel, bevor es zur WWW9-Konferenz bzw. in die Stadt ging. Im Restaurant des Hotels gab es ein riesiges Frühstücksbuffet mit Rührei, Schinkenspeck, Würstchen, Rösti, viele Sorten Müsli und Cornflakes, Joghurt, Quark, frisches Obst und Obstsaft, mehrere Sorten Brot und Brötchen, Muffins… hmmm!

Begijnhof:
Begijnhof

Mein erstes Ziel an diesem Tag war noch einmal der Begijnhof, und dieses Mal konnte ich sogar hinein. Außer mir war niemand da, als ich kam, also konnte ich mich in Ruhe umsehen. Die Amsterdamer Häuser sind meistens aus braunroten Ziegeln gebaut, mit großen weißen Fenstern und farbig gestrichenen Türen. Der Giebel zeigt zur Straße, und fast alle Häuser sind sehr schmal und lang. Diese Häuser, die teilweise über 400 Jahre alt sind, wurden so gebaut, weil man früher Steuern nach der Breite der Straßenfront zahlen mußte. Länglich-schmale Häuser waren also günstiger als z.B. quadratische.

Das schmalste Haus im Begijnhof war nur 1,45 m breit! Ich habe auf die Klingel geguckt: Angeblich gab es vier Wohnungen in dem Haus, vielleicht eine auf jeder Etage. Das Haus hätte ich gern von innen gesehen!

leidsegracht:
Häuser an der Leidsegracht

Als nächstes machte ich mich auf den Weg zum Anne Frank Huis, welches im Joordan-Viertel liegt. Auf dem Weg dorthin überquerte ich fast alle Grachten des die Innenstadt umgebenden Grachtengürtels: den Singel, die Herengracht und die Keizersgracht. Das Anne Frank Huis liegt an der Prinsengracht, der äußersten Gracht.

luftbild:
Amsterdam mit dem Grachtengürtel

Das Anne-Frank-Museum besteht aus zwei alten Häusern und einem neuen Gebäude, die jeweils einen Teil der Ausstellung beinhalten. Der moderne Teil steht direkt neben der Westerkerk, während das Haus, in dem sich die Familie Frank versteckte, am weitesten von der Kirche entfernt ist.

Vor dem Gebäude standen etwa 50 Leute Schlange am Eingang, aber es dauerte nur etwa 20 Minuten, bis ich hineinkam.

westerkerk:
Westerkerk

Das Museum war für mich sehr interessant. Ich habe das Tagebuch von Anne Frank schon mehrmals gelesen und konnte mich an vieles gut erinnern, aber das Haus tatsächlich einmal zu sehen, in dem sich die Familien Frank und van Daan und Herr Pfeffer versteckten, war noch etwas ganz anderes. Keine der Möbel waren mehr im Haus, da sie nach der Deportation von den Deutschen konfisziert wurden, aber die Räume selbst vermittelten genug. Ich habe mir versucht vorzustellen, wie es für diese acht Menschen gewesen sein muß, über zwei Jahre in vier kleinen Räumen zu verbringen. Um die Stimmung besser wiederzugeben, waren vor den Fenstern Verdunkelungsvorhänge, wie sie damals auch benutzt worden waren. An einem bewölkten Tag (wie ich ihn erlebte) war es drinnen kaum hell genug zum Lesen.

Gracht:
Gracht

Den Rest des Nachmittags verbrachte ich mit einem Rundgang durch den Jordaan, in dem viele kleine schnuckelige Häuschen in engen Straßen und an kleineren Grachten stehen. Offenbar haben die Niederländer viel Sinn für Grünzeug, denn fast alle Häuser hatten Blumen und Pflanzen an den Fenstern, neben den Türen oder auch auf dem Fußweg vor dem Haus. Es muß schön sein, im Joordan zu wohnen, denke ich.

Als meine Füße allmählich anfingen wehzutun, ging ich zur centraal station und fuhr eine Runde mit der “circle tram”. Das ist die Tramlinie 20, die die meisten Sehenswürdigkeiten Amsterdams miteinander verbindet. Im 10-Minuten-Takt fahren die Bahnen in beiden Richtungen immer im Kreis. Für mich war dies eine preiswerte Möglichkeit, eine Stadtrundfahrt zu machen, denn am Vortag hatte ich mir ein Fünf-Tages-Ticket für die öffentlichen Nahverkehr gekauft.

Am Abend trafen sich ein Dutzend Scripting News-Leser mit Dave Winer (dem Chef von UserLand, der Firma, für die André arbeitet) zum Abendessen. André nahm mich mit, damit Dave und ich uns kennenlernen konnten. Obwohl ich als einzige nicht männlich, im Computer-/Internetbereich tätig und Konferenzteilnehmer war, habe ich den Abend doch genossen. Nach dem Essen in einem chinesischen Restaurant saßen wir noch ein Stündchen in einer Kneipe, und es wurde ziemlich spät, bis wir ins Hotel zurückkehrten…

Donnerstag, 18. Mai 2000

Weil es nach Regen aussah, beschloß ich, ein oder zwei der Museen zu besuchen. Zuerst fuhr ich mit der Tram zum Museumplein, dem Platz zwischen Rijksmuseum, van Gogh Museum und Stedelijk Museum. Zuerst besuchte ich das van Gogh Museum. Außer der größten Sammlung von van-Gogh-Gemälden besitzt das Museum auch Bilder anderer Maler aus derselben Zeit bzw. von Künstlern, die van Gogh beeinflußt haben. Die Website des Museums (in Englisch und Niederländlisch) bietet viele Informationen zum Museum und den Bildern, also werde ich jetzt nicht näher darauf eingehen.

Am Nachmittag ging ich ins Stedelijk Museum. Laut der Website ist dies eins der wichtigsten Museen Europas mit zeitgenössischer Kunst, aber mir gefiel es nicht besonders gut. Wenn man in Amsterdam nicht zu viel Zeit hat, kann man auf einen Besuch getrost verzichten und stattdessen lieber das Rijksmuseum und das van Gogh Museum besuchen.

Vom Stedelijk Museum aus spazierte ich weiter zum Vondelpark, dem größten Park der Stadt. In den Siebzigern war es der Treffpunkt für Hippies, die sich die Reise nach San Francisco nicht leisten konnten. Als ich dort ankam, zeigte sich zur Abwechslung einmal die Sonne, und ich setzte mich für ein Weilchen in die Sonne auf eine Bank, bevor ich ins Hotel zurückkehrte.

Freitag, 19. Mai 2000

Auf ins Rijksmuseum! Ich kam um halb zehn dort an, eine halbe Stunde vor Öffnung des Museums, und trotzdem warteten schon 30 oder 40 Leute vor der Tür.

In diesem Jahr feiert das Museum sein 200jähriges Jubiläum mit einer Ausstellung mit dem Titel Der Glanz des Goldenen Jahrhunderts, in der 200 Kunstwerke aus dem 17. Jahrhundert zu sehen sind. Darunter ist auch die sogenannte Nachtwache von Rembrandt, das bekannteste Gemälde des Museums.

nachtwache:
De compagnie van Frans Banning Cocq, genannt Die Nachtwache, von Rembrandt

Als ich nach vier Stunden das Rijksmuseum verließ, brauchte ich dringend Abwechslung nach all der Kunst und Geschichte (das Museum hat auch eine große Abteilung zur niederländischen Geschichte), also fuhr ich mit der Tram zum Hortus Botanicus, dem botanischen Garten von Amsterdam. Dort sind mehrere Tausend Pflanzen von überall auf der Welt zu sehen, und es gibt einige Gewächshäuser. Das größte besteht aus drei Teilen, in denen jeweils ein unterschiedliches Klima herrscht. Mir hat der Garten sehr gut gefallen, auch weil es offenbar kaum Touristen dorthin verschlägt.

Samstag, 20. Mai 2000

Unser letzter Tag in Amsterdam! Die Konferenz war vorüber, so daß André und ich endlich Gelegenheit hatten, gemeinsam die Stadt anzusehen. Nach dem Frühstück brachten wir unser Gepäck zum Bahnhof. Direkt vor der centraal station hatte ich einige Tage zuvor eine “Internet-Säule” entdeckt, und die mußte ich natürlich ausprobieren

Das Ding sieht aus wie ein öffentliches Telefon (Telefonzelle ohne Zelle), hat aber statt eines Hörers einen Flachbildschirm und eine metallene Tastatur. Cool!

Danach zeigte ich André den Begijnhof und den Vondelpark. Danach spazierten wir noch durch den Jordaan, bevor wir ein spätes Mittagessen (oder frühes Abendessen) hatten. Dann mußten wir schon zum Bahnhof zurück, denn gegen fünf fuhren unsere Züge. André kehrte nach Bonn zurück, während ich direkt zu meinen Eltern fuhr, um am nächsten Tag zur Konfirmationsfeier meiner Cousine zu fahren.

Hafen:
Near the Centraal Station

Obwohl das Wetter nicht perfekt war, habe ich doch einige schöne Tage in Amsterdam verbracht, und ich würde gerne noch einmal hinfahren. Es gibt noch jede Menge zu sehen für André – und für mich wohl auch. Tot ziens!

Alle kleinen Fotos ohne weißen Rand stammen von der Amsterdam Heritage Site, die (auf Niederländisch oder Englisch) eine Menge Informationen über Gebäude, Häuser und Brücken in Amsterdam bietet, und das auch noch mit vielen schönen Fotos. Ein Blick lohnt sich!

Die großen Fotos mit weißem Rand wurden von mir aufgenommen.